19.9. Anreise von Hamburg mit Flugzeug über Lissabon, dann Bus und schließlich Fähre (über die Ria von Vigo). ARIEL liegt wohlbehalten in der Marina von Moaña. Am Schiff ist alles soweit in Ordnung, nur die Druckwasseranlage streikt immer noch. Vermutlich ist der Druckschalter defekt - Ersatzteil habe ich hier - war in der Aufbruchseuphorie aber zu faul, das zu richten, weil ich ja die Fußpumpe habe.
Auch der Spanier, der sein Schiff DULCINEA in Deutschland gekauft hat und den Liegeplatztip gegeben hat, ist an seinem Heimatliegeplatz eingetroffen und gibt weitere Empfehlungen für Portugal.
Am 21.9. heißt es dann endgültig Abschied nehmen von der schön gelegenen und geschützten Marina mit ihren freundlichen Mitarbeiterinnen. Als Eingewöhnungstrip ein kurzer Schlag nach Baiona am Ausgang der Ria von Vigo immer mit Blick auf „unsere" Cíes Inseln. Ankern im Schutz der großen Mole mit Blick auf den Monte Boi und seine riesigen Festungsanlagen.
Unterhalb der Festung landete übrigens die Pinta als erstes Schiff nach der (Wieder)Entdeckung Amerikas durch Kolumbus.
Am Wochenende sollen die Weltmeisterschaften im Moto-Cross um die Festung herum stattfinden. Ich treffe zufällig zwei Mitglieder der Deutschen Mannschaft, die mir glaubhaft versichern, man könne tatsächlich etwa zwei Meter hohe, senkrechte Felsen mit dem Motorrad erklimmen. Nach der ausgeflaggten Strecke zu schließen, muß es wohl so sein.
Um noch im Süden genügend Zeit zu haben, bin ich aber trotz eines sicher zu erwartend spannenden Schauspiels am Morgen des 22.9. in Richtung Porto gestartet. Beim Start war der Wind noch schwach, aber im Laufe des Morgens hat sich der Portugiesische Norder entschlossen das zu tun was er soll, nämlich mit 4-5 Windstärken aus Norden zu blasen. So rauschen wir also mit ausgebaumten Segeln und gut 6 kn bei achterlicher Dünung nach Süden. Der Portugalstrom schiebt zusätzlich noch mit einem halben Knoten. Erst nach Stunden gehen die Cíes Inseln im Norden langsam im Meer unter!
Um mich herum sind 5 oder 6 Segelyachten auf dem gleichen Weg. Dank AIS sind sie leicht zu identifizieren und die meisten trifft man dann doch irgendwo im Süden wieder.
In Höhe LaGuardia wechsele ich die Gastflagge und stelle die Uhr eine Stunde zurück. In Portugal gilt die Westeuropäische Sommerzeit (WESZ) entsprechend UTC + 1.
Auf Empfehlung ankere ich in Leixões, denn es hat eine direkte, sehr preiswerte Metroverbindung nach Porto und auch in Porto liegt man für viel Geld noch vor der Stadt.
22. -24.9 in Leixões/ Porto
Schon bei der Fahrt mit der Metro habe ich das Gefühl in einem neuen Land zu sein. Viel ernstere Gesichter weniger Lachen. Die berühmte „saudade“? Na ja man wartet auch darauf und dann sieht man sie überall. Vielleicht fährt die Bahn auch nur durch die falschen Stadtteile!
Reichtum und Vielfalt an kulturellem Erbe sind überwältigend. Trotz einiger finanzieller Hilfen im Rahmen der Wahl zur europäischen Kulturhauptstadt fällt es anscheinen doch an vielen Stellen schwer, den Verfall der zahlreichen Kulturgüter aufzuhalten und das neu geschaffene zu bewahren.
Neben dem malerischen Dächergewirr auf beiden Douroseiten mit idyllischen Tiefblicken in das alte städtische Wohnen haben mich besonders beeindruckt:
Der Bahnhof von São Bento mit seinen riesigen Kachelmalereien, die Themen aus der portugiesischen Geschichte und Idylle des Landlebens darstellen.
Dann die festungsartige Kathedrale, die über die Stadt zusammen mit dem ehemaligen Bischofspalast thronend von überall im Tal den Blick auf sich zieht.
Letztlich imponiert als Monument des beginnenden Industriezeitalters (1881-1886) die von zwei belgischen EIFFEL-Schülern konstruierte Brücke „Luis I“ über den Fluß. Sie hat zwei Etagen, oben Metro und Fußgänger, unten Autos und Fußgänger.
Beim Betrachten der Portweinlager auf dem linken Douro-Ufer frage ich mich wer mehr profitiert - der Wein von Porto oder Porto vom Wein. Anscheinend mal eine geglückte WinWin Situation.
Man muß schon gut zu Fuß sein in Porto, geht es doch kräftig auf und ab.
Am 25.9. muß es weiter gehen – und zwar in die Flußmarschlandschaft von Aveiro. Leider kaum Wind – also Maschine. Aveiro bietet aus Gründen des Tiefganges und tief hängender Hochspannungsleitungen nur die Lagune von São Jocinto als Ankerplatz. Die weiter flußaufwärts gelegenen Marinas sind für mich unerreichbar.
Auf der Suche nach Benzin treffe ich einen segelnden Wasserbauingenieur, der mich mit meinem Kanister gleich in sein Auto bittet, mir die „weidenden“ Flamingos und andere Vögel zeigt und letztendlich bei der über 10 km entfernten Tankstelle auch zum richtigen Benzin verhilft (Es muß da wohl Sorten mit besonderen Zusätzen geben, die für den Außenborder unnötig sind). Bei einer Tasse Kaffee läßt er mich sogar noch sein dienstliches WLAN benutzen, während wir über die Segelei fachsimpeln. Irgendwann plant er natürlich auch die ganz große Reise!
26.9. Über Nacht wurde aus „diesig“ „nebelig“, wenngleich die Sonne durchaus als milchige Scheibe zu erkennen ist. Nach Rückfrage bei der PortControl bestehen „no movements“ so daß ich mit Plotter, AIS und Radar ausgerüstet weiter nach Süden motore. Eine entgegenkommende Yacht passiere ich in wenigen 100 m Abstand – genau wie es die Technik vorhergesagt hat, wird sie kurz (man möchte sagen: an vereinbarter Stelle) im Nebel sichtbar. Dennoch freue ich mich, daß die Rio Mondego Mündung aus dem Nebel vor mir auftaucht und ich in der warmen Nachmittagssonne den Liegeplatz in Figueira da Foz ansteuern kann. Alles bestens organisiert – die saubersten Duschen, die ich je erlebt habe (drei Jahre alt). Fußmarsch zum wüstenartig großen Strand, der nach Aussage eines Einheimischen erst in den vergangenen 50 Jahren durch den Ausbau der Hafenmole entstanden sein soll.
Am 27.9. gleiches Wetter wie gestern: wenig Wind, viel Nebel. Das Azorenhoch, das ja sonst den Portugiesischen Norder verursacht, ist leider bananeförmig nach Süden gerutscht. Na, besser als Gegenwind – also weiter. Zwischendurch frischt der Wind aus NW auf, das ermöglicht dann doch noch flottes Segeln mit allem, was die Garderobe hergibt. Man möchte immer mal gerne den Spinnaker ziehen, aber bei der von NW anlaufenden Dünung wäre sich innerhalb kürzester Zeit die Blase perfekt. Und allein möchte ich damit nicht fertig werden! Schließlich schläft der Wind wieder ein, der Nebel wird dichter und erst kurz vor der Hafeneinfahrt von Nazaré kann ich wieder etwas sehen. So bleiben mir im Nebel auch die 30 m Riesenwellen nördlich Nazaré unentdeckt (hängt mit dem Nazaré Tiefseegraben zusammen, der bis unmittelbar an die Küste reicht und Nazaré zur Surferhochburg macht).
28.9. Bis Peniche ist es nun noch ein kleiner Sprung. Einige Meilen vorgelagert befinden sich die Berlenga Inseln (Reserva Natural das Berlengas). Darüber hatte ich schon viel gelesen – z.B. von den Mönchen, die es leid waren, dauernd von Seeräubern überfallen zu werden und daraufhin eine mächtige Festung bauten. Das ruhige Wetter will ich also nutzen. Wie in einem Theaterstück hebt sich der Nebelvorhang ca. eine Meile vor der Ankunft und läßt mich schnell einige Photos von den in der Nachmittagssonne liegenden, rötlich schimmernden, recht steinigen Inseln machen.
Dann wird es aber schon wieder duster und die Nebelschwaden fliegen über den Gipfel. Trotz Leeseite rauscht die Brandung kräftig an die steilen Felsen und erst nach einigem Hin- und Herfahren lasse ich den Anker auf 12 m Tiefe fallen. 50 m Kette und einmal kräftig rückwärts eindampfen – der sollte halten. Ein etwas gespenstisches Szenario!
Trotzdem erst mal Kaffee trinken und die Sachlage beobachten. Schließlich fasse ich mir ein Herz, lasse das Beiboot ins Wasser und mache einen Sprint über die Insel, hoch zum Leuchtfeuer, zur Festung und schnell wieder zurück – immer das Schiff im Auge. Aufgrund der späten Saison habe ich die Insel fast für mich. Erst auf den Prospektbildern in Peniche sehe ich, was da im Sommer los sein muß.
Beim Einlaufen in Peniche ist der Hafen recht voll, da ankere ich bequemer „draußen vor der Tür“. Am nächsten Tag ist die Lage entspannt, und ich bekomme bequem einen Platz.
30.9. Heute soll der ersehnte kräftige Nordwind wiederkommen und in der Nacht hat es schon mal ganz vielversprechend geblasen. Pünktlich um 8 Uhr Auslaufen, Segel setzen und Motor aus! Endlich wieder mal Sicht ! Es geht gut voran, um 14:45 ist Cabo Roca mit der Einfahrt nach Lissabon querab. Die meisten Mitsegler biegen nach Estoril ab – ich will aber noch eine Ecke weiter nach Sesimbra. Sei es der Kapeffekt, sei es der Abendwind, jedenfalls bläst es doch glatte Bf 6 und das Vorsegel muß eingerollt werden. Vor dem Wind kann sich da schon mal ein Knoten zusammen mit der Leeschot bilden. Na das dauerte doch so seine Zeit und es ist gar nicht so einfach, diesen flatternden Salat am Vorstag wieder klar zu bekommen. Dann auch das Großsegel reffen und Kap Espichel runden. Ganz ungewohnt der viele Wind nach der langen Leichtwindphase! Auch beim Anlaufen von Sesimbra kräftige Fallwinde vom Gebirge. Da muß ich nach einer Salzwasserdusche doch glatt noch ins Ölzeug steigen! In der beginnenden Dunkelheit versuche ich erst gar nicht die Marina anzulaufen und ankere lieber vor dem Stadtstrand.
Am Morgen des 1.10. läßt der Wind nach, und ARIEL liegt ruhig wie auf einem Ententeich vor der 1693 erbauten Santiago-Festung, die mit 2 x 6 Kanonen den Hafen vor Engländern, Spaniern und Seeräubern schützen sollte. Ganz oben auf dem Berg thront eine noch größere Burg, die muß auch unbedingt besichtigt werden, wenn ich schon mal hier bin. Ein guter Grund für einen Landtag.
Also auf zum Höhentrainig: die Festung Sesimbra mit 223 m wird erstiegen, zu Fuß, trotz Warnung („to drink many water to avoid dehydration“). Wie zu erwarten herrliche Aussicht, natürlich vor allem auf ARIEL, klein unten in der Bucht, aber auch nach Norden über die gesamte Tajo-Mündung von Lissabon bis Escoril.
Die Festung spielte im Rahmen der Reconquista eine wichtige Rolle. In der Kirche findet gerade eine Taufe statt. Gabriel soll der Junge jetzt heißen. Kann schon fast laufen - winkt jedenfalls seinen Paten immer freundlich zu. Dann lasse ich in einem der zahlreichen Strandcafés mit Wifi und Blick auf´s Schiff den Tag ausklingen. Hamburger mit frites € 4,50, das große Sagres-Bier € 2,50.
2.10. Heute leichter Nordostwind. Also versuchen wir es doch mal mit dem Gennaker! Aber wie so häufig – habe ich alle Strippen gezogen und das Segel steht endlich, hat der Wind schon wieder gedreht und weht nun genau von hinten. Vor mir sehe ich einen Mitsegler im AIS. Nun wollen wir doch mal sehen, ob vor dem Wind Kreuzen wirklich schneller ist. In der Tat mache ich zwei Meilen gut. Aber bei der Halse verknotet sich der Gennaker beim Vornüberholen im Vorstag. Das muß noch geübt werden! Da der Wind nun noch weiter dreht rolle ich schließlich das Vorsegel ganz ein und fahre mit dem Yankee bis Sines.
3.10. Heute nun der letzte große Schlag nach Süden. Kurs auf Cabo de São Vincente. Leider fast kein Wind – also lange Motorfahrt! Um 18:30 liegt das berühmte Kap in der Abendsonne querab. Für viele Entdecker des 15. Jahrhunderts wie etwa Vasco da Gama war das der letzte Kontakt zur bis dahin bekannten Welt und vor dem Bug das große Unbekannte! Auch hier frischt der Wind beim Passieren des Kaps wieder kräftig auf, so daß ich Punta de Sagres nur unter Großsegel segelnd umrunde. Gleich dahinter liegt Baleeira. Hier haben auch die vor mir segelnden (sind wohl alles extreme Frühaufsteher) schon ihre Anker fallen lassen.
Nun sind wir also nach 380 sm überwiegend gemütlicher „Segelei“ und nicht zuletzt mit viel Motorhilfe an der Algarve-Küste angekommen.
Von Ferne grüßen die riesigen Ferienhochhaussiedlungen, aber vielleicht finden wir in den kommenden Tagen noch „unerschlossene“ Stellen in den Lagunen und Flußmündungen.