25.10.
Gegen Mittag treffe ich in Minde ein und verabschiede mich von der Hafenmeisterin. Um 15:00 laufe ich nach allen Vorbereitungen aus.
Da ich erst übermorgen meinen Termin in Kiel habe könnte das im Herbst leere Schleimünde noch eine reizvolle Unterbrechung sein. Der Wind bläst westlicher als angesagt und unter Vollzeug geht´s rasch nach Süden.
Die Schlei liegt um 18:00 querab und als der Wetterbericht auch noch schwachen Süd-Südost für morgen ansagt, wird die Strander Bucht das Tagesziel. Um 21:30 fällt der Anker.
26.10.
Wie vorhergesagt heute schwacher Südwind. In spätsommerlicher Atmosphäre kreuze ich gemütlich in der Förde nach Friedrichsort und dann weiter in den Plüschowhafen direkt neben Stickenhörn (eigentlich: Stegelhörn).
Wer war dieser Plüschow?
Plüschow wurde am 08.02.1886 als Sohn eines Offiziers in München geboren. Am 01.04.1896 wurde er an der militärischen Kadettenanstalt in Plön aufgenommen, erlangte dort das Fähnrichsexamen und wurde Mitglied der Crew 1904. Bei Beginn des 1. Weltkrieges erwarb er sich durch seine Aufklärungsflüge um den deutschen Flottenstützpunkt in China den Namen „Flieger von Tsingtau“. Später wurde er Leiter der Seefliegerabteilungen Holtenau, Libau und Putzig. Im Jahr 1917 wurde er an die Seefliegerstation Holtenau versetzt und empfing dort 1918 die Kaiserin auf ihrem letzten Besuch bei der Marine. Gunther Plüschow schied am 22.11.1919 als Korvettenkapitän aus der Marine aus. Am 27. November 1927 reiste Gunther Plüschow mit seinem eigens dafür gebauten Expeditionskutter Feuerland von Büsum nach Punta Arenas in Chile. Die Reise führte über Teneriffa, Bahia, Rio de Janeiro, Santos, Montevideo und Buenos Aires. Gleichzeitig beförderte der Dampfer Planet von der Reederei F. Laeisz mit dem von der Firma Askania gekommenen Ingenieur Ernst Dreblow sein Wasserflugzeug Heinkel HD 24 W mit dem Kennzeichen „D-1313“ nach Chile, wo Plüschow es in Punta Arenas übernehmen und zusammen mit Dreblow aufrüsten konnte. Das Kennzeichen mit der zweimaligen 13 hatte er sich erbeten, weil ihm seine spätere Frau Isot anlässlich seines bestandenen Pilotenexamens ein Kettchen mit einer goldenen 13 geschenkt hatte, das er als seinen Glücksbringer betrachtete. Bis Dezember 1928 bauten Plüschow und Dreblow auf dem Gelände der Werft von Braun y Blanchard in Punta Arenas den bis dahin in Kisten verpackten Heinkel-Doppeldecker von Typ HD 24 W erfolgreich zusammen. Der erste große Flug ging in das argentinische Ushuaia. Mit an Bord war ein Postsack, die erste Luftpost von Punta Arenas nach Ushuaia. In den folgenden Monaten überflogen Plüschow und Dreblow als erste Menschen die Darwin-Kordillere auf der großen Feuerlandinsel, das Kap Hoorn und die Torres del Paine in Patagonien. Sie waren fasziniert von der überwältigenden Schönheit des patagonischen Inlandeises und brachten von ihren Flügen, oft unter Lebensgefahr, zum ersten Mal Fotos und Filmmaterial von diesen bis dahin unerforschten Gegenden Südamerikas mit. Etwa acht Monate blieb Plüschow im südlichsten Teil Südamerikas. Im Juli 1929 kehrte er nach Deutschland zurück und veröffentlichte sein Buch Silberkondor über Feuerland und einen gleichnamigen Dokumentarfilm dazu. Er verunglückte am 28.01.1931 bei einem Flug über Feuerland tödlich.
27.10.
Um 7:00 heißt es „Anker auf“ und ich tuckere langsam in den Hafen von Stickenhörn zum verabredeten Treffpunkt. Ein Fachmann für Navigationselektronik sollte den gelegentlichen Ausfällen von GPS und AIS auf den Grund gehen. Das Problem war schnell gelöst: Die interne GPS Quelle des Plotters war im Alu-Rumpf zu schwach und nach Inbetriebnahme der externen GPS-Antenne lief alles wieder bestens.
So ging es dann schon um 9:00 weiter nach Holtenau, wo eine kleine Seglerflotte auf das Einschleusen wartete. „Na dann wird´s ja zügig weitergehen“ – dachte ich. Aber der Schleusenmeister dachte anders. Erst um 11:00 wurden wir in den Kanal entlassen.
Im Prinzip ist die Kanalfahrt durch das herbstlich gefärbte Land im Sonnenschein ja ganz nett, aber wenn einem die Zeit, sprich die Dunkelheit im Nacken sitzt, etwas weniger. Die letzten 10 km bis Brunsbüttel waren dann auch etwas illegal finster und können keinesfalls zur Nachahmung empfohlen werden.
Der Schleusenmeister in Brunsbüttel war wieder ausgesprochen nett und ließ mich rasch zusammen mit einem Bagger in die alte Schleuse. Nur Auslaufen durfte ich dann nicht, weil zuviel Verkehr aus den großen Schleusen von und nach Hamburg ging. Safety first!
Um 20:15 ging´s dann endlich auf die Elbe, wo der auslaufende Strom ARIEL rasch nach Cuxhaven schob.
28.10.
Die Hoffnung, am frühen Morgen gleich weiterzufahren, verschwand als der Wetterbericht nur Südwest ansagte. Vielleicht wird´s ja morgen besser!
29.10.
Jaaa! Süd bis Südost!
Hochwasser in Cuxhaven 04:00, also 06:00 Auslaufen, weil der auslaufende Strom erst zwei Stunden nach Hochwasser beginnt. Vor mir gehen schon einige Ungeduldige auf die Reise. Haben sicher starke Motoren und viel Diesel gebunkert!
Auf der Elbe interessanter Funkverkehr: Cuxhaven Elbe Traffic warnt vor einer umherirrenden Yacht mit dem schönen Namen Romanze im Fahrwasser. Wie sich im Laufe der Zeit herausstellt, handelt es sich um eine bekannt verwirrte Person, die immer mal ausbüchst. Die WaSchPo hat Mühe, die Yacht einzufangen und nach Cux. zurückzubringen. Besser die Romanze endet im Hafen als unter einem Containerriesen!
Ab Elbe 1 segelt Ariel zügig unter voller Beseglung in Richtung Borkum. Inzwischen herrscht dicker Nebel und die Ankerlieger auf der Weserrede tauchen erst im allerletzten Moment auf. Dank AIS und RadarOverlay aber kein Problem. Die Tide dreht gegen uns, ARIEL hält wacker dagegen. Um 14:00 flaut der Wind nördl. von Langeoog stark ab. Mit 3 kn über Grund haut es so mit der Tidenplanung nicht mehr hin. Also: Motorsegeln, was gut klappt. Dazu schiebt auch bald der westsetzende Ebbstrom. Auf dem Plotter ziehen die Ostfriesischen Inseln vorbei. Sehen kann ich aufgrund des Nebels keine.
Um 18:30 passiere ich Juisterriff N und tatsächlich zwei Blitze voraus im Nebel: Borkum. Jetzt beginnt die etwas frustrierende Tour um Borkum herum, durchs Riffgatt und durch die Westerems wieder zurück nach Borkum. Um das Einlaufen in die Fischerbalje nicht zu einfach zu machen, meldet Ems Traffic, daß die Tonne 1 unbeleuchtet ist. So ganz ohne ist das Einlaufen dort nachts bei querlaufendem Strom ohnehin nicht. Aber mit Hilfe der technischen Assistenzen geht alles glatt und ich mache um 22:30 in Borkum fest.
30.10.
Um 08:00 ist Niedrigwasser und Zeit zum Auslaufen. Die Zeitumstellung hat eine Stunde mehr Schlaf gebracht. Blauer Himmel, Südwest 4! Ein schöner Sonntagmorgen! Die Tonne 1 ist ordentlich demoliert! Die kann wirklich nicht mehr leuchten.
Unter Vollzeug und von der anlaufenden Flutwelle geschoben passieren wir Eemshaven. Dann wird der Wind zum Zephyr und die Stahlfock muß wieder ran. Emden zieht um 12:30 vorbei.
Nun herrscht sommerliche Flaute und ARIEL furcht durch die spiegelglatte Ems. Die Jan-Berghaus-Brücke in Leer öffnet sehr zuvorkommend und freundlich, dann biege ich in die Leda ab und mache am Wartesteg der Seeschleuse fest. Um 17:30 kann ich hoffentlich einschleusen. Überführung beendet. Hat ja alles wieder mal gut geklappt!