29.5.2018
Mal wieder früh aufstehen. Nach Schnellfrühstück ins Beiboot, zum Bus laufen, in die Strassenbahn (! ja die gibt's hier) umsteigen, Haltestelle Hamburg Street aussteigen und noch anderthalb Kilometer laufen. Dann in den Greyhound und los geht's zum großen Häuptling in Washington (Rede des Häuptlings Seattle vor dem Präsidenten der USA im Jahre 1855). Trotz diverser Staus kommen wir pünktlich an der Union Station an. Der Busbahnhof befindet sich im ersten Obergeschoss, die Züge verkehren im Keller, im Erdgeschoss Geschäfte. Die Größe ist schon "hauptstadtwürdig".
Beim Verlassen fällt schon mal gleich der Blick auf die Kuppel des Kapitols. Der Stadtplaner L'Enfant hat sehr geschickt verschiedene Sichtachsen geschaffen, die teilweise auch symbolische Bedeutung haben.
Also zuerst mal zum Kapitol, der Legislative bestehend aus Senat und Repräsentanten Haus. Natürlich überall Sicherheitskräfte und Panzersperren. Lange Schlangen vor dem Besucherzentrum und dort Kontrollen wie auf dem Flughafen. Letztendlich schauen wir uns das Gebäude nur von aussen an, was eindrucksvoll genug ist.
Weiter ging's die Mall hinunter Richtung des knapp 170 m hohen Obelisken. Dieses Denkmal wurde zu Ehren des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, George Washington, errichtet. Das Monument wurde von Robert Mills entworfen. Die Bauphase dauerte von der Grundsteinlegung am 4. Juli 1848 bis zum 6. Dezember 1884.
Dann hinüber zum Jefferson Memorial, einem der Hauptideengeber der amerikanischen Verfassung und dritter Präsident.
Nun weiter entlang des Potomac und vorbei am Roosevelt- und Martin-Luther-King-Memorial zum Lincoln Memorial. Hier herrscht der größte Andrang. Der Blick geht vorbei am Obelisken hinüber zum Capitol.
Und zu guter Letzt noch den Schlenker am Weissen Haus vorbei. Näher als 500 m kommt man da nicht heran, überall schwer Bewaffnete und massive Sperren.
Max bleibt gleich zum Rückflug hier. Ich fahre mit der U-Bahn nach über 17 km Fussmarsch zurück zum Bus und auf ARIEL in die Koje!
31.5.
Nun also wieder allein weiter. Die übliche Morgenroutine nach dem Frühstück: Beiboot aus dem Wasser holen. Nach einer knappen Woche im schmutzigen Hafenwasser ist kräftiges Putzen notwendig. Segel klarmachen, Motor an, Anker hochholen. Hier verbunden mit allem möglichen Müll und tiefschwarzem Schlick. Dann noch das Deck abspülen, während ich schon langsam aus dem Hafen tuckere. Leider kaum Wind, aber ich ziehe mal das Alibi-Grossegel hoch. Da ändert sich auch nicht viel bis abends der Anker im Sassfras River fällt. Wieder sehr idyllisch.
1.6.
Heute soll’s in den Delaware River gehen. Der Chesapeake & Delaware Canal (kurz: C&D Canal) wurde 1829 eröffnet, 1919 erweitert und später in die heutige Form gebracht.
Der ca. 11 m tiefe und 130 m breite Kanal hat im Gegensatz zum NO-Kanal keine Schleusen. Dadurch entsteht ein tidenabhängiger Strom: bei Flut in der Chesapeake Bay ostwärts, bei Ebbe westwärts. Und so muss ich dann wohl oder übel um 5:00 los, um rechtzeitig im Kanal zu sein.
Vieles erinnert natürlich an den NO-Kanal, manches ist anders. Es gibt keine Weichen und keine verwirrenden Lichtzeichen. Nur am Eingang rot oder grün! (heute scheint's gar nichts). Zum Beispiel die riesige Eisenbahn-Hebebrücke oder die Ospreys die auf den Seezeichen nisten. Oder Baumstämme, die im Wasser schwimmen. Heute morgen herrscht wenig Verkehr, da habe ich den Kanal fast für mich allein. Schon um 10:30 passiere ich den Ostausgang und will hinüber nach Salem. Da gefällt es mir aber aus verschiedenen Gründen nicht und ich nutze den Tag, um gleich den Delaware abwärts in den Cohansey River zu fahren.
Die Einfahrt zum Ankerplatz gestaltet sich etwas aufregend, weil weder Karte noch Plotter detaillierte Tiefenangaben machen. Solltiefe angeblich 6 Fuss. Bei vorsichtigster Fahrt stellten sich aber 4 m heraus! Und so hat ja alles geklappt. Der Plotter zeichnet meinen Weg auf und daher hoffe ich, auf dem selben Weg morgen wieder raus zu kommen…
2.6.
...was auch geklappt hat!
Anschliessend bei Windstille Motorfahrt nach Cape May. Zwischendurch kleine Nebeleinlage.
3./4. Juni
Wie so häufig war es nicht ganz einfach, den idealen Ankerplatz zu finden. Die besten Plätze sind abends belegt und man muss sich sozusagen hinten - in diesem Fall vorn anstellen. Östlich der Coast Guard befindet sich ein schmaler Streifen tiefen Wassers im ansonsten sehr flachen Cape May Naturhafen. Und da ankerten natürlich schon vier Schiffe. Also blieb nur recht weit östlich ein Plätzchen.
Ost 15 - 25 kn waren angesagt, in Böen bis 35 kn. Das kam auch so!!!
Der erste Ankerlieger, ein Motorboot gab schon morgens auf.
Der zweite brachte seinen Anker am Nachmittag neu aus und verlor dabei sein Beiboot, das von einem beherzten Nachbarn mit seinem Beiboot wieder eingefangen werden konnte. (Keine üble Leistung bei Wolkenbruch und Wind!).
Mein Anker hielt zwar prima, aber langsam drehte der Wind Richtung NE und N so dass das Land durch die beengte Wahl des Ankerplatzes immer näher rückte. Bevor ich dann bei Nacht und Nebel einen neuen Platz suchen muss, fasste ich mir am Sonntag Nachmittag ein Herz und ging Anker auf. Das war wie zu erwarten nicht so einfach, weil das Eisen so fest sass, dass es sich trotz senkrecht stehender Kette und gegenan fahren nicht heben liess. Dann fiel natürlich die Ankerwinsch aus, weil sie überlastet war. Schnell wieder etwas Kette raus, Sicherung rein und nächster Versuch. Immer mit dem Land ca. 50 m im Nacken! Schliesslich liess sich das gute Stück doch heben, rasch ins Cockpit, volle Kraft zurück und etwas Abstand gewinnen. Durch die Abfahrt des Motorbootes war der beste Platz in Nähe der Coast Guard Pier frei. Auf drei Meter Tiefe fiel der Anker erneut - 40 m Kette und die Nachtruhe war gerettet.
5.6./ 6.6.
Alles hat sich beruhigt, die Sonne scheint wieder warm und der Wind dreht in südliche Richtung. Also nicht wie los, der nächste Nordwind kommt schon morgen.
Der Anker hält wieder bombenfest und kommt wieder erst nach einigem Hin und Her aus dem wirklich zähen Schlick - aber heute habe ich ja Zeit und kein Land im Nacken. Nach Verlassen der Einfahrt sehe ich schon einen Spinaker am Horizont. Ach ich liebe ja den Spi! Aber später sind 15 - 20 kn angesagt - dann also doch lieber die bewährte Schmetterling-Segelei: Grossegel ganz auffielen, Bullentalje festmachen, Spi-Baum riggen. Yankee ausrollen. Nach einer Stunde dreht der Wind langsam in westlichere Richtung, das Grossegel kommt gelegentlich back. Also Halsen: Bullentalje lösen, Grossegel schiften, Spi-Baum abschlagen, Yankee etwas einrollen, Spi-Baum auf der neuen Seite riggen, Yankee auf die neue Seite … und weiter! Nach einer halben Stunde: das Manöver war voreilig; jetzt haben wir doch eher SE-Wind! Also das Ganze nochmal in die andere Richtung! Das hält fit! Ich sehe es sportlich.
Schon 25 sm vorher sind die Hotel- und Casinotürme von Atlantic City zu sehen. Hier wird jedes Jahr die Miss America gekürt. Abe erst im September! Angeblich das älteste Seebad der USA. Na ich bin mal gespannt.
Das Absecon-Inlet ist eines der sichersten in New Jersey und bereitet dementsprechend trotz inzwischen 25 kn Wind keine Probleme. Der Ankerplatz liegt zwar im Strom, ist aber weit und soll gut haltenden Sandgrund bieten.
Kaum liegen wir vor Anker und das Eisen ist kräftig eingegraben, ist die versprochene Front schon da, und es regnet aus Kübeln!
Morgen sagt der Wetterbericht wieder Nordwind an - das bietet ja eine gute Gelegenheit den berühmt - berüchtigten Boardwalk zu begehen. Ob ich die ganzen 7 Meilen schaffe halte ich für unwahrscheinlich!
7.6.
Ach ja, der Boardwalk!
Schaut Euch die Fotogalerie an und macht Euch einen Reim drauf !
Ja es gibt einen sehr schönen, sauberen langen Strand, aber dahinter? - ich fand’s gruselig. Nun war es dazu noch wegen des kalten Wetters recht leer, so dass keine Jahrmarkt-stimmung aufkam.
Abends, zurück auf ARIEL - ich hatte mir drei kleine Steaks gebraten - da klopft es. Ich bekomme Besuch. Im Beiboot sitzen Heike und Herwig aus Hamburg. Sie haben die deutsche Flagge gesehen und sind mal zum Erfahrungsaustausch vorbeigekommen. Wie sich herausstellt sind sie die meiste Zeit hinter mir gewesen und haben zeitlich versetzt die selben Orte besucht. Vielleicht treffen wir uns in Port Washington wieder.
8.6.
Heute liegen 80 sm vor mir. Also 5 Uhr aufstehen und um 6 Uhr Anker auf. Auch die umliegenden Ankerlieger brechen auf. Zunächst ist der Ostsüdost noch schwach und der Motor muss mithelfen. Ab dem späten Vormittag tun es die Segel allein. Der Wind raumt und der Genaker kommt mal wieder zum Einsatz. Um 17:00 sehe ich in der Ferne Wolkenkratzer. Das wird doch nicht New York sein?
Tatsächlich! Die Skyline wird immer deutlicher. Um 19:00 ist Sandy Hook gerundet und ich befinde mich sozusagen im Aussenhafen von NY.
Aber zunächst mal alles in Ruhe. Ich drehe ab in die Sandy Hook Bay und der Anker fällt im grossen durch eine Mole geschützten Hafen von Atlantic Highlands.
9.6.
Was soll in diesem Nest Atlantic Highlands mit etwas 4.000 Einwohnern schon los sein?
Schweres Vorurteil!
Alles was der segelnde Tourist so braucht! Nette Marina mit lockerem Umgang auch mit Ankerliegern. Ein Waschsalon gleich ein paar Schritte die 1st Avenue hinauf, ein Stückchen weiter die Bibliothek mit ebenfalls freundlichen Bibliothekarinnen, ein Italiener mit echtem Brot und ein WestMarine Laden, zu dem man allerdings den Bus besteigen muss.
Und da wurde es etwas abenteuerlich, weil ich nämlich in die Westrichtung statt der Ostrichtung eingestiegen bin und mich schon halb in New York sah. Aber kein Problem: Ein Funkgespruch mit dem Fahrer der Gegenrichtung und ich wurde sozusagen persönlich dem wartenden Kollegen an die Hand gegeben. Und Geld wollte er für die Fehlfahrt auch nicht, was bei $ 1.10 auch nicht die Welt gewesen wäre. Das Allerbeste war aber nach dem WestMarine Besuch, dass ich auf einen wunderbaren Wanderweg (leicht bergab) hingewiesen wurde. Zuerst noch ein kleiner Anstieg und ich konnte vom 81 m hohen Mount Mitchill einen „Scenic Overlook“ über Sandy Hook, Sandy Hook Bay, Raritan Bay und die New York Skyline geniessen. Der Mount Mitchill ist übrigens -ein Superlativ muss immer her- die höchste atlantiknahe Erhebung zwischen Maine und Yucatan. Der Weg folgt zwar der wenig befahrenen Strasse bietet aber immer wieder schöne Ausblicke zuletzt über die ankernden bzw. vermoorten Boote.
Im Hafen noch einmal ein Hinweis auf den Hurricane Sandy, der Ende Oktober 2012 schwere Schäden anrichtete!
9.6. -17.6.
Acht Tage New York! Mir ist die Zeit verflogen! Erst mal das Seemännische! Die Motorfahrt hudsonaufwärts zieht sich ewig hin, weil das Wasser ander als gedacht fast 3 Stunden nach Niedrigwasser immer noch abläuft! Aber ich geniesse die Kulisse. Die Strassenschluchten lassen sich quer durch Manhattan bis zum East River nachverfolgen. Die angepeilten Bojenliegeplätze an der 79. Strasse sind leider nur bis 43 Fuss zugelassen, das bedeutet ankern, wovor denn auch gleich im Führer gewarnt wird: schlechter Haltegrund, viel Strom, viel Wellenschlag! Aber nützt ja nix! Ein Franzose ist schon da, ich lege mich dahinter. Der Strom rauscht und zerrt erheblich, vier Knoten können das schon sein! Leider ist der Weg bis zum Dingi Dock sehr weit! Man fährt fast 20 Minuten! Als ich zurückkomme liegt das Schiff plötzlich vor dem Franzosen!? Da bringe ich den Anker lieber nochmal neu aus. Grosse Aufregung, nun läge ich über seinem Anker! Stimmt zwar nicht, aber des lieben Friedens wegen gehe ich noch mal Anker auf und suche ein besseres Plätzchen. Da komme ich ein paar Tage später bei kräftigem Westwind mit einer des leeren Bojen in Konflikt. Bevor sich mein Anker dreimal um die Boje schlingt, und ich den Anker vielleicht nicht mehr hochbekomme, gehe ich nochmal Anker auf und ankere zuletzt ganz weit hinten auf 10 m Tiefe wo mich keiner stört und ich keinen störe. Hätte ich gleich mal machen sollen! Eines Morgens werde ich von einem Klopfen und Rumsen wach. Kurz rausgeschaut: alles ist an seinem richtigen Platz kein anderes Schiff in unmittelbarer Nähe. Wieder in die warme Koje. Der Krach hält an. Da kann doch etwas nicht stimmen. Also wieder raus und auf’s Vorschiff: da hat sich doch ein richtiger Baumstamm zwischen Schiff und Ankerkette verhakt und zerrt nun quer zum Strom am Schiff. Mit dem Bootshaken ist da nichts zu machen. Es gelingt nach mehreren Anläufen eine Schlinge über das eine Ende zu werfen und das ganze Getüm nach einer Seite zu bugsieren, bis es endlich wegklappt und weiterschwimmt. (Bei der Aktion habe ich mir sicher meinen Schnupfen geholt!)
Also alles in allem: so ganz ohne ist es wirklich nicht, hier zu ankern!
Und die Stadt selbst? Ich bin ganz begeistert! Viel Grün!! Smog oder schlechte Luft habe ich nicht erlebt (hatte vielleicht eine gute Wetterlage). Alle Taxen - Yellow Cabs - sind (fast ausnahmslos japanische) Hybridautos. Das öffentliche Nahverkehrssystem funktioniert sehr gut. Mit meiner Wochenkarte komme ich überall schnell hin. Nun habe ich überwiegend die Kunstmuseen besucht. Die Qualität und die Vielfalt der dort gesammelten Werke ist ja legendär.
Nette Leute habe ich auch kennengelernt. Einer forscht am Mt Sinai Hospital über HPV und wir hatten beim Hamburger ein ausgedehntes Gespräch vom Sozialistischen System in Cuba über Trump bis zur HPV Forschung.
Das Leben ist hier natürlich nicht billig. Da ist es schon von grossem Vorteil, sein Schneckenhaus mitgebracht zu haben…
Aber nun ist auch genug geschwärmt! Anker auf, nach Liberty Island und von dort nochmal die Kulisse von Manhattan genossen.
Morgen dann nochmal nach Brooklyn zum Public Fussball Viewing ins Goethe Institut (ja, Goethe ist Fussballfan)!
P.S. Der Fussball war natürlich eine Enttäuschung! Aber ich konnte wenigstens mein ausgeliehenes Buch zurückgeben.
Auf der Rückfahrt zum Boot nochmal ein Abstecher nach Ellis Island ins Einwanderermuseum. Zwölf Millionen Leute wurden da durchgeschleust! Sehr informativ und nicht unkritisch!
Gutes Zitat: Ich bin nach Amerika gekommen, weil ich hörte, die Strassen seien mit Gold gepflastert. Aber ich habe drei Dinge gelernt: 1. Die Strassen sind nicht mit Gold gepflastert, 2. Die Strassen sind überhaupt nicht gepflastert und 3. Man erwartet, dass ich sie pflastere!
18.6.
Heute das letzte mal in New York aufgewacht.
9:00 Anker auf und Abfahrt in Richtung East River, der ja kein Fluss sondern ein Meeresarm ist, der den Hudson River/ New Yorker Hafen mit dem Long Island Sound verbindet. Man tut wieder gut daran die Gezeitenströme zu beachten, sie sind auf dem Streckenabschnitt "Hell's Gate" (etwas übertrieben) schlecht beleumundet. Wir haben durch ca 5 -6 kn Schiebestrom eine schnelle Passage. Nun ankere ich im Long Island Sound bei der Halbinsel City Island. Hier in der Bibliothek ordne ich die vielen Bildern stelle einfach ein paar Bildergalerien zusammen. Die bekommen dann eine extra Seite.