4.7.2023
5:30 Aufstehen, denn um 6:30 geht kurz nach Hochwasser die Schleuse auf. Ich will das ablaufende Wasser nutzen, um mit Ariels 2.15 m Tiefgang sicher über die Barre in der Charentemündung zu kommen.
Schwarze Wolken verheißen nichts Gutes – Ölzeug bereitlegen. Aber ich lasse dem eisernen Rudergänger den Vortritt und schaue mir das vorbeiziehende Flußufer aus dem Deckshaus an. Hinter der Barre gehen dann die Segel hoch und der Motor hat Pause. Wieder ziehen (leider unbesucht und unerforscht) die Île Madame, die Île d´Aix und das Fort Boyard vorbei.
Letzteres hat eine kuriose Baugeschichte: Weil die Küstenbatterien die Charentemündung mit dem dahinter liegenden Marinearsenal in Rochefort mangels Reichweite und Treffsicherheit nicht genügend sichern konnten, sollte dies Fort auf einer Sandbank gebaut werden. Mehrere Bauversuchen schlugen fehl und erst im 19. Jahrhundert wurde es fertig, aber da brauchte man es nicht mehr, denn inzwischen reichte die Reichweite der Kanonen von Land aus. Wie üblich diente es dann als Gefängnis für Kriegsgefangene und als Filmkulisse, heute Touristenatraktion. Vor meinem Ziel St. Denis d´Oléron fällt erst mal der Anker, denn ich komme gerade zum Niedrigwasser an. Der Hafen hat ein Süll von 1,50 m und da muß ich mit meinem 2,15 m drüber weg. Nach drei Stunden Dümpeln bekomme ich vom Hafenmeister die Einlaufgenehmigung und werde an einen angenehmen Platz gleich bei der Einfahrt geleitet.
5./6./7.7.2023
Um 6:30 banges Befragen der Wetterwelt: Rüber über die Biscaya, genauer den Golf von Gascogne, oder noch weiter der franz. Küste entlang? Windrichtung Nordwest auf Ost drehend, schwach oder zeitweilig gar nicht. Ich weiß ja, Herr Yanmar mit seinen 80 Pferden wird´s im Zweifelsfall richten, und besser bei Flaute motoren als in der hintersten Biskayaecke mit Westwind festzusitzen. Also um 8:00 Leinen los. Die Nordspitze von Île d´Oléron mit gehörigem Sicherheitsabstand runden und dann zwei Tage Kurs 230°.
Drei kleinere Katamarane laufen mit mir aus, haben aber etwas westlicheren Kurs. Wollen vielleicht direkt nach A Coruña. Am Nachmittag kommen sie außer Sicht. Leider herrscht recht starker Schwell aus Nordwest und schüttelt allen Wind aus den Segeln. Ohne Motor geht es nicht. Nachts erstaunlich viele Fischer um mich herum. Sie scheinen mich auf dem Radar zu haben und legen ihre Hols so, daß ich nie ausweichen muß oder überhaupt in ihre Nähe komme.
Erst am Folgetag am 9 Uhr bekommt der besagte Herr Yanmar seine Ruhe und wir segeln ganz zügig in Richtung Gijon. Annäherung an die Küste: Wie immer die Frage sind es Wolken oder Berge am Horizont? Es sind Berge! Land in Sicht. Bald auch wieder Funknetz und beruhigende SMS können losgeschickt werden. Doch wird es 02:00 bis im Hafen endlich der Anker fällt.
Um 9:00 werde ich wachgeklopft: die Guardia Civil ist da! Da darf man nicht ankern, außerdem Inspektion des Schiffes! Die „Inspektion“ beschränkt sich glücklicherweise auf das Ausfüllen eines Formulars (einschließlich Vornamen von Vater und Mutter???!!!) nach Einsicht aller Ausweise und Unterlagen. Ich versichere sowieso gleich in die Marina zu wollen (Dazu hatte ich in der Nacht keine Lust) – und gut isses. In der Marina kommt gleich ein Angestellter im Schlauchboot entgegen, weist mich ein und nimmt auch die Leinen an.
Wir sind in Gijon angekommen! In der Marina nochmal ein langes Formular, Vorkasse (30% Rabatt für Transocean-Mitglieder) und Duschen. Stadtrundgang: Trotz schwerer Zerstörung im Bürgerkrieg eine schöne Stadt, soweit sich das zu Fuß erkunden läßt. Viele Parks, interessante Gassen, wuseliges Leben...
Wo hat man schon so einen Strand vor der Tür. Da ist das Elbufer doch etwas schmal dagegen! Historisch sind auch die Spuren der römischen Besiedlung interessant.
8.7.2023
Erst mal Diesel nachtanken, denn für heute ist leider wieder mal Schwachwind angesagt. Kurz vor 10 Uhr geht es dann hinaus in Richtung Cabo Peña. Schon von weitem sind die schroffen Felsen zu erkennen. Vorgelagert ist auch noch eine kleine Klippeninsel, die Isla Erbosa. Laut Handbuch kann man dazwischen durchfahren.
Spektakulär: Felsen und Grotten, Bögen und Durchlässe dazu schäumende Brandung über den Flachstellen. Alles geht glatt, „perfectly easible“, wie das Handbuch sich ausdrückt.
Tja, der Rest ist schnell gesagt, der Wind dreht gegenan und schläft ein. Regenschauer wechseln mit Sonnenschein – es wird überwiegend eine Motorfahrt.
Gegen 15:00 taste ich mich im nächsten Regenschauer durch die gewundene Einfahrt in den Hafen von Cudillero. Eigentlich sollen Gäste hier an Mooringtonnen liegen, aber auf Anfrage wird mir ein Platz am T-Ende eines Schwimmsteges angeboten. Gern gebe ich die Leinen rüber.
Beim Gang ins Dorf wundere ich mich über die großen gut gefüllten Parkplätze. In der Tat, das Dorf ist eine Attraktion voller Tagestouristen.
An den steil ansteigenden Hängen kleben die bunten Häuser nur durch enge Treppen und steile Gäßchen verbunden.
Ein Idyll jagt das andere. Man könnte sagen es ist ein Bergfischerdorf! Wer ganz oben wohnt sollte seinen Einkaufszettel nicht vergessen; zweimal wird er den Weg nach unten nicht so schnell machen, denn der Aufstieg ist schweißtreibend. Gefühlt bin ich heute etwa 5000 Treppen gestiegen, bis ich alle Aussichtspunkte (Miradores) gesehen hatte – einschließlich einer Verirrung ins Hinterland.
9.7.2023
Bei einem Windhauch aus Nordwest schlängele ich mich aus dem Hafen. Das Azorenhoch hat einen Ausläufer in die Biskaya geschickt, daher ist leider außer etwas thermischem „Sonnenwind“ (=Seewind) nicht viel zu erwarten. Ich fasse mal das nicht weit entfernte Luarca ins Auge. Trotz Motorfahrt ist die Küstenpassage interessant: Wild zerklüftete Küste, an der der Atlantikschwell permanent knabbert, Höhlen bildet, Durchbrüche schafft und Erdrutsche verursacht. Daneben weite Sandstrände und das alles vor einem grünen bergigen Hinterland, das an den Schwarzwald erinnert.
Cap Vidio zieht vorbei. Hier hat die See schon erhebliche Löcher gegraben. Tja, mit dem Segeln wird´s wohl nicht mehr viel heute, dann kommt ja Luarca gerade recht.
Zuerst die Boje mitschiffs, wo ich am besten rankomme, gefaßt und am Bug festgebunden. Dann Beiboot ins Wasser reichlich Leine ins Boot nehmen und zur Kaimauer rudern. Dort die Leine durch einen Ring ziehen und wieder zurück auf´s Schiff (Auf Belle Ile macht das der Hafenmeister, aber das wird auch mit einer entsprechenden Liegegebühr bezahlt). Nach dem Kaffee an Land: Etwas größer als Cudillero gestern, aber auch idyllisch in einem engen Flußtal gelegen.
Nach 17:00 füllen sich die Restaurants und Kneipen. Leider viel Leerstand und „se vende“, gerade einige historisch sicher wertvolle größere Häuser.
10.7.2023
Morgens erst mal in die Bibliothek. Sie befindet sich in einem alten Adelspalast, der zur Hälfte zum Kulturhaus zur anderen Hälfte als Polizeistation umgewidmet wurde. Die Ariel-Website muß mal wieder „gepflegt“ werden. Und nirgends geht das besser als in einer Bibliothek: gutes Internet, Ruhe und Elektroanschluß.
Dann Leinen los und ereignisarme Motorfahrt an der schönen grünen Küste entlang nach Ribadeo. Hier bin ich 2017 von La Rochelle kommend angelandet.
Immer noch freundliche, ruhige Marina. Beim ausgedehnten Stadtbummel kommt es mir vor, als befände sich das Städtchen zwischen verlängerter Siesta und frühem Feierabend. Viel Leerstand, wenig Leben. Aber der Supermarkt in Hafennähe ist genauso gut wie vor fünf Jahren.
11.7. 2023
Südwind, etwas bedeckt, was hat das zu bedeuten? Irgendwelche Warnungen gibt es aber nicht. Dann los. Ich habe mal die letzten beiden nördlichen Kaps ins Auge gefasst. Auch draußen noch segelbarer Wind, also alles Tuch gesetzt und Westkurs. Ach, wie immer, nur ein kurzes Vergnügen, dann muß wieder die Stahlfock ran. Am frühen Nachmittag Schaumkronen, unruhiges Wasser, Westwind. Segel wieder hoch und kreuzen. Die Kaps müssen dann auf morgen warten. Tief in der waldgesäumten Ria de Viveiro fällt der Anker vor einem schönen Badestrand. Zur Belohnung gibt es Hamburger à la ARIEL.
12.7.2023
Die Kaltfront eines schottisch-norwegischen Tiefs hat uns erreicht.
Seit den frühen Morgenstunden regnet es. Leichter Nordwind. Aber laut Wetterwelt soll es in ein paar Stunden Sonne geben. Dann Ölzeug an und Anker hoch. Die Fahrt im dichten Nebeldunst nach Plotter mit Radaroverlay erinnert mich etwas an Tage in Grönland, nur 20 Grad wärmer.
Heute sollen die beiden letzten spanischen Nordkaps gerundet werden. Im Gegensatz zu gestern wehren sie sich nicht dagegen. Es herrscht vielmehr beleidigte Flaute. Dennoch lieber so, als in die Zähne von Cap Ortega geraten.
Am Mittag hört der Regen auf. Aus Grau wird helles Grün und dunkles Blau. Die Ria von Cedeira öffnet sich vor mir mit bewaldeten Berghängen und weißen Sandstränden.
Der Hafen ist ein reiner Fischerhafen mit großen Verladeeinrichtungen, aber keine Anlegemöglichkeiten für Sportboote.
Die müssen in der durch eine große Mole geschützten Bucht ankern. Landausflug entlang der Steilküste und im großen Bogen ins Dorf. Sehr hübsch und lebendig!
13.7.2023
Bei strahlendem Sonnenschein und glatter See nach A Coruña. Auch beim dritten Besuch für mich eine der schönsten Städte der Welt.
14/15.7.2023
Am ersten Tag die zerstörten Fender ersetzt. Dazu POMBO aufgesucht ca 1¹⁄₂ km entfernt auf der anderen Hafenseite. Er sei hier der einzige, der in Frage käme. Schmale Front an belebter Straße. Beim Reinkommen stolpere ich gleich über ein Fahrrad und verheddere mich in ausgespannten Leinen. Überall leere Kartons. Der restliche Platz wird von wartenden Kunden eingenommen. Ich kämpfe mich bis zum Ladentisch vor. Hier ein beleibter Älterer, etwas außer Atem vor Stress, wohl der Chef, der gerade drei Pumpen zum Ölwechsel erklärt; natürlich mit Händen und Füßen, weil der Kunde Ausländer ist. Ich signalisiere Geduld. Zeit mit Augen den Laden zu erkunden – das ist kein Supermarkt sondern ein guter alter Laden in dem sich „alles und nichts“ einkaufen läßt, wie mir mal jemand überheblich erklärte. Ein paar Fender baumeln von der Decke, wohl leider zu klein. Als die Pumpe ausgesucht und bezahlt ist, bin ich dran. „Defensas“ suche ich „mas grande“. Der Alte nickt verständig, und ich werde in die Tiefe des Raumes mitgenommen. Also in meinem Fall hat er alles, was ich brauche, sogar noch größere. Der Preis wird anscheinend geschätzt, irgend eine verwischte Schrift auf dem Plastiküberzug wird als Anhalt genommen. Unterm Strich komme ich fast mit der Hälfte des deutschen Katalogpreises aus dem Laden.
Am zweiten Tag Stadtbummel. Zuerst zum Fort „Isla de la Peña Grande“ de San Antonio.
Zuerst als Sicherung für den Hafen gebaut, später Isolierstation für Kranke, dann (wie üblich) Gefängnis und heute archäologische Museum. Ein interessanter zweistöckiger Festungsbau mit schönem Blick über Hafen und Stadt. Im Museum interessante Fundstücke aus der Zeit der Kelten, aus der Römerzeit (Ardobicum Coronium) und aus den Zeiten der großen Armada.
Dann im großen Bogen durch die auf einem Hügel gelegene Altstadt, wo ich Zeuge einer großen Hochzeit einschließlich galizischer Dudelsackmusik zum Auszug des Paares wurde.
Weiter vorbei am Platz der Maria Pita - das ist die Galizische Jeanne d´Arc, die die Stadt bei einem Angriff von Sir Francis Drake heldenhaft verteidigte. (War angeblich Metzgersfrau).
Am Platz das schöne Rathaus, wie überhaupt die Architektur vieler Häuser im Jugendstil/ Art Déco zu bewundern ist.
16.7.2023
Die Nachbarn (zwei deutsche Yachten) schlafen noch, als ich mich aus der Marina schleiche.
Das hoffnungsvolle Ansegeln, wird, wie jetzt schon gewohnt, durch Schwachwind, hohe Dünung und ungünstige Winddrehung wieder zum Motorsegeln. Der Sturm, der in den vergangenen Tagen auf dem Atlantik geherrscht hat, sendet ca. 3 m hohe Wellen zu uns. Eine parallel laufende Yacht verschwindet im Wellental vollkommen aus der Sicht.
Erst am frühen Nachmittag ist wieder Segeln möglich. In gehörigem Sicherheitsabstand geht es an den Sisarga Inseln und der Punta del Roncudo mit ihren vorgelagerten Riffen vorbei. Costa da Morte haben die Altvorderen diese dem Atlantikschwell ausgesetzte Felsenküste genannt!
In der Ensenada da Corme fällt der Anker.
17.7.2023
Heute soll´s ja e n d l i c h den richtigen Wind geben. Pünktlich, kurz nach acht gehe ich auf die Reise. Na ja, aller Anfang ist schwer, erst muß der Motor noch etwas anschieben, aber dann ... Unter Großsegel und ausgebaumtem Yankee, später nur unter Großsegel jagt Ariel mit Neptuns weißgemähnten Rossen um die Wette.
Cabo Villaño, Cabo Toriñán (das eigentliche Westkap!) und Kap Finisterre fliegen vorbei.
Blauer Himmel, weiße Schaumkronen in blauer See und das bei 8 kn Fahrt. Ich hatte schon fast vergessen, wie schön das ist! Schwer damit ein Ende zu finden! Na ja morgen ist auch noch ein Tag. Um 20:20 fällt der Anker in einer kleinen Bucht vor dem Örtchen San Vincente del Mar.
18.7.2023
Nebel! Kein Lüftchen regt sich. Wie gut, daß ich gestern den Wind genutzt habe! Bis 10:30 setzt sich langsam doch die Sonne durch. Ich mache mich mal in Schleichfahrt auf den Weg. Nun plötzlich Südwestwind – also kreuzen. Das geht hinter den Ons Inseln ganz gut, weil durch sie der Schwell etwas abgehalten wird. Um 14:00 habe ich die Punta Robaleira und damit die Einfahrt in die Ría da Vigo erreicht.
Nach kurzer Schwächephase briest es wieder auf und wir segeln an den Muschelflößen (Viveros) vorbei, unter die große Brücke hindurch in das Endteil der Ría, die dann Enseñada des San Simon heißt. Wie ein großer Binnensee von bewaldeten Bergen umkränzt, still und ruhig.
Hier liegt die Marina San Adrian – das vorläufige Ziel der Reise.